Ein Industriedenkmal mit wechselhafter Nutzungsgeschichte

Das Stadtbild von Wiesbaden wird geprägt von der kompakten Kernstadt, der umgebenden, aufgelockerten Gartenstadt als grüner Villengürtel und fünf Taleinschnitten als Grünverbindungen zu den Taunushängen. Diese fünf Verbindungen versorgen Wiesbaden arteriengleich mit Frischluft und Wasser. Entlang der Wasserläufe entwickelte sich – parallel zur bürgerlichen, kurstadtgeprägten Entwicklung der Kernstadt – eine industrielle Nutzung mit Mühlen und weiteren industriellen Betrieben. Die Walkmühle stellt neben der Hammermühle, die am anderen Ende von Wiesbaden gelegen ist, eines der letzten Industriedenkmäler dieser Epoche in Wiesbaden dar. Durch ihre abgeschiedene Lage am Ende der Albrecht-Dürer-Anlagen war sie von den städtebaulichen Entwicklungen der Nachkriegszeit weitgehend verschont und konnte sich damit ihr »Idyll« erhalten.

Die Walkmühle am Bornhofenweg ist rund 270 Jahre alt und blickt auf eine sehr wechselhafte Nutzungsgeschichte zurück. Sie wurde von Pfarrer Hellmund als Waisenhaus mit angeschlossenen Werkstätten gebaut. Seiler, Schlosser und Waffenschmiede nutzten die Energie, die durch eine Wassermühle im 1737 fertiggestellten Hauptgebäude erzeugt wurde. Ihre Mieten flossen in die Waisenhauskasse und ermöglichten so dessen Betrieb. So gesehen war die Walkmühle bereits bei ihrer Inbetriebnahme ein gemeinnütziges Projekt.

30 Jahre später wurde die Mühle erneuert und drei Jahre später versteigert, weil sich die Gewerbe nicht mehr rentierten. Die Walkmühle wurde Gaststätte, später baute eine Besitzerin sie zum Tanzsaal aus, betrieb aber das Hanfreiben und Lederwalken weiter. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ ein Konsortium eine Bierbrauerei errichten; 1860 stieg die Brauerei Esch ein. Nach dem 1. Weltkrieg wurden in der Walkmühle Stoffe gefärbt und Textilien gereinigt. Die Stadt Wiesbaden kaufte das Areal 1966 für rund 1,7 Millionen Mark. Ab 1990 wollte sie das Anwesen wegen der hohen Instandhaltungs- und Sanierungskosten verkaufen, alle Interessenten schreckten jedoch vor der Aufgabe zurück. Zudem bestand lange die berechtigte Vermutung, dass Grund und Boden verseucht sein könnten.

Indes hatten sich längst mehrere Künstler, Wohnungssuchende und Gewerbetreibende in dem heruntergekommenen Industriedenkmal auf eigene Kosten etabliert. Die Vorreiter begannen vor mehr als 20 Jahren Räume in Ateliers und Wohnungen umzuwandeln. Sie gründeten den »Verein Walkmühle«, erwirkten einen Denkmalschutz für das Ensemble und retteten die alten Gebäude vor der Abrissbirne.
2003 zogen weitere, im Verein »Kunst+Raum Wiesbaden« zusammengeschlossene Künstler in die Walkmühle ein, richteten zusätzliche Ateliers her und begannen, die Industriebrache mit kulturellen Veranstaltungen zu beleben und für die Wiesbadener Öffenlichkeit zugänglich zu machen. Sie entwickelten nach und nach ein Konzept zur Sanierung und dauerhaften Nutzung des Gebäudeensembles als Zentrum der Bildenden Kunst. 2005 schlossen sich beide Vereine unter dem Namen »Künstlerverein Walkmühle« zusammen.


Der Künstlerverein Walkmühle e.V. und die Stiftung Walkmühle in Gründung

Der gemeinnützige Künstlerverein Walkmühle e.V. konstituierte sich im April 2005 durch Zusammenschluss der beiden Vorgängervereine »Walkmühle e.V.« und »Kunst+Raum Wiesbaden e.V.«. Während der bereits über mehrere Jahre vor Ort ansässige Verein Walkmühle in erster Linie den dauerhaften Erhalt und die Sanierung des Gebäudekomplexes verfolgte, stand beim Verein Kunst+Raum von Beginn an die nachhaltige Etablierung eines lebendigen, nach außen hin offenen Zentrums der Bildenden Kunst für Wiesbaden im Vordergrund. Die architektonisch interessante und atmosphärisch reizvolle Walkmühle erschien hierfür ein geeigneter Standort. Mit dem Zusammenschluss der Vorgängervereine konnten deren beider Hauptzielsetzungen gebündelt werden.



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DIE GESCHICHTE DER WALKMÜHLE UND DES KÜNSTLERVEREINS